Wie mir zwei Tauben den Verstand rauben
Die Chance der Entschleunigung. Vor zwei Wochen war sie in
aller Munde. Es gab die große Umstellung zu Homeoffice und Homeschooling. Was
ist davon noch geblieben?
Heute Morgen habe ich mich wieder bei der Normalität ertappt:
Ich war genervt über Jobdinge und habe zum ersten Mal wieder im Kopf die
Zukunft gesponnen. Ich habe die nächsten Wochen skizziert, bin schon im Voraus die
ToDos durchgegangen und habe über Urlaubsoptionen im Sommer sinniert.
Auch die neuesten Corona-Nachrichten habe ich nur noch
automatisch, beinahe abgebrüht durchgeklickt. Aha, jetzt ist also Amerika dran.
Erschrocken ob meiner plötzlichen Gleichgültigkeit beschloss
ich, statt Mittag zu essen laufen zu gehen. Ich wollte irgendetwas anders machen.
Vielleicht doch noch dem sich wieder drehenden Hamsterrad entkommen.
Ich lief sauer und enttäuscht. Wo war mein Gefühl, mein
Mitgefühl hin verschwunden?!
Da sah ich zwei Tauben, die eng aneinander gekuschelt,
surrend auf einem Ast saßen. Mein erster Gedanke: Kein Corona-Abstand (so
absurd konditioniert bin ich schon?!)? Ganz im Gegenteil. Sie flirteten und
trieben es so wild, dass ich stehen blieb und fasziniert zusah. Welch
ungeniertes Verhalten. Und wie frei!
Die Tatsache, dass ich bei zwei Tauben solche Gedanken habe,
zeigt mir (außer, dass ich nicht ganz dicht bin, was ich aber schon wusste),
dass hier noch nichts normal ist.
Dass ich stehengeblieben bin und mir das Schauspiel
angesehen habe, zeigt mir, dass die Entschleunigung schon stattfindet. Vor drei
Wochen hätte ich sie nicht gesehen, wäre in meinem Alltagsfilm weitergelaufen.
Meine morgendliche Abgebrühtheit ist wohl eher als
Selbstschutz zu deuten.
Und, naja, vielleicht habe ich auch n bisschen viel in die
Begegnung mit zwei Tauben interpretiert. Oder ich werde langsam wahnsinnig in
meiner Entschleunigungs-Corontäne …
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