Bleib weg von Oma bei Corona: Über den den traurigen Zwiespalt mit den Oldies

Wie gehen wir mit den Oldies um?! Dazu heute zwei Geschichten. 

Die erste betrifft mich persönlich: Da es in Berlin von Tag zu Tag klaustrophobischer zugeht, habe ich überlegt – wie Tausende andere wahrscheinlich auch – die Stadt mit den Kindern zu verlassen. Homeoffice eröffnet ja ganze neue Möglichkeiten ... um zum Beispiel temporär zu den Eltern/ Verwandten aufs Land zu ziehen. Natürlich nicht für alle. Mir ist weiterhin bewusst, dass ich auch hier privilegiert bin.

Meine – und Eure? – größte Sorge: Das Virus als fatales Gastgeschenk. Dem Immunsystem meines Vaters traut nur noch er selbst. Und erstaunlicherweise auch meine Mutter. Als ich sie vor einer Woche anrief, war sie sofort dafür, dass wir am besten gleich mit sechs Mann anreisen. „Wir haben keine Angst. Das wäre doch toll, wenn ihr kommt. Fahrt am besten sofort los, bevor die Ländergrenzen schließen.“

Leider ist es nicht so einfach für mich, diese Ad-Hoc-Entscheidung zu treffen. Auch wenn es für die Kinder der Traum (für meine Tinitussi auch 😊) wäre: „Aldahh, Fußball draußen in Großmamis Riesengarten den ganzen Tag!“ (Klar sagt das Caspar, der achtjährige).

Die zweite Geschichte ist wirklich sehr traurig (könntet Ihr theoretisch auch für heute überspringen, ich hoffe aber nicht):

Meine Freundin, Jacqueline und ich gehen jetzt öfter zusammen Abstand-Joggen (😊), hat mir eine sehr persönliche Geschichte anvertraut (ich habe ihr Go, dass ich sie schreiben darf). Ihre Großmutter lebt in einem Heim in Berlin. Jeden Freitag kommt Jacquelines Mutter, die anderthalb Stunden weit weg wohnt, um sie zu besuchen – um Zeit mit ihr zu verbringen. Vergangenen Freitag stand Jacquelines Mutter wieder mit einem Blumenstrauß in der Hand vor dem Heim.

Sie war zu spät. Nur eine Stunde zuvor hatte die Leitung das Haus für Besucher geschlossen. Wegen Corona. Jacquelines Mutter durfte noch den Strauß übergeben, musste aber draußen bleiben. Von einem Fenster aus konnte sie beobachten, wie ihre Mutter den Strauß entgegennahm und zuerst noch mit offenem Blick der Betreuerin zuhörte. Dann sank ihr Blick nach unten und sie schien nicht mehr auf die Frau zu reagieren.

Einen Tag später wurde Jacquelines Großmutter krank. Das unbedingt notwendige Antibiotikum lehnte sie so vehement ab, dass die Flasche auf dem Boden zerbrach.

Es war, als wäre der fehlende Besuch mit dem Antibiotikum in ihr zerbrochen und die Blumen verwelkt wie ihre Lebenslust. Denn alles, wofür sie stellvertretend für viele ältere Menschen, lebt, sind die Besuche der Liebsten. Fallen sie weg, dann fallen sie um.

Diese Geschichte ging mir heute so nah, dass ich nicht mehr weiterlaufen konnte. Und auch jetzt verschwimmen die Zeilen in meinen Tränen. Ja. 

Unsere Alten werden sterben: entweder am Virus oder an der Trauer.  

Doch was bedeutet das jetzt konkret für uns? Für uns, also für mich heißt das trotz aller Tragödie, dass wir die Verantwortung übernehmen und den physischen Abstand bewahren. 

Erstmal können wir Euch nicht besuchen kommen, liebe Großeltern. 
                                                                                                
Der Hoffnungsschimmer: sowohl meine Kinder als auch Jacqueline können ihre Großeltern bald wieder in den Arm schließen. Nach Corona und mit sehr viel Disziplin von unserer Seite. Und dazu gehört auch, zu den Großeltern liebevoll und konsequent NEIN zu sagen. Denn: ich weiß leider inzwischen zu viel über dieses Virus. Ich weiß auch, dass wir es alle auch ohne Symptome in uns tragen und an unsere Eltern und Großeltern weitergeben können. Und dieses Risiko kann und will ich nicht eingehen. Dafür ist jetzt nicht die Zeit.




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